Wieder Hoffnung für die Möweninsel!

20.10.2023

Am Mittwoch war der Startschuss für ein erneuter Versuch, die Möweninsel und die Reste der Jürgensburg zu retten. Endlich ziehen Naturschützer und Denkmalpfleger an einem Strang, um an einer Rettung der Insel zu arbeiten.

Nachfolgend die beiden Artikel aus den Schleswiger Nachrichten und der Flensborg Avis.

 

Schleswiger Nachrichten vom 19.10.2023

Im frühen 12. Jahrhundert wurde auf der Möweninsel vor der Stadt Schleswig von Knud Laward, dem vermutlich ersten Herzog des späteren Herzogtums Schleswig, die Jürgensburg gebaut. Das Bauwerk verschwand jedoch im Laufe der Zeit. Im Boden der Insel erinnern heute noch zahlreiche Ziegelsteine an das alte Gemäuer.
Der Boden der Möweninsel ist aufgrund der noch sichtbaren Spuren der Jürgensburg als Bodendenkmal ausgewiesen. Da das Eiland jedoch durch Erosion immer kleiner wird, ist dieses Denkmal nun akut bedroht. Erosionen gibt es dabei auch auf der Insel. Durch abfallende Sandmassen werden dabei immer wieder Ziegelsteine der alten Jürgensburg freigelegt. Das soll künftig verhindert werden.

Holzpfähle werden mit Tannengrün verbunden

Um die Überreste der Burg zu schützen, ist nun das Land Schleswig-Holstein als Eigentümer der Insel tätig geworden. Mitarbeiter der Landesämter für Umwelt, Küstenschutz und Archäologie sind derzeit auf der Möweninsel aktiv, um das Ufer zu sichern. Für das Landesamt für Umwelt überwacht Nils Kobarg die Arbeiten. „Zum Schutz der Küste werden sogenannte Buschkisten aufgestellt. Dabei handelt es sich um in den Boden eingearbeitete Holzpfähle, die mit Tannengrün verbunden werden. Dadurch soll die Wellenenergie der Schlei beim Auftreffen auf die Insel abgeschwächt werden“, erklärt Kobarg.
Aus Naturschutzgründen erfolgen die geplanten Maßnahmen dabei nicht, wie Kobarg betont. „Da wünschen wir uns eigentlich eine gewisse Dynamik in den Küstenlebensräumen, weil das für Vögel hervorragende Bedingungen sind“, so Kobarg. „Wir müssen hier aber einen Kompromiss finden, um dem Denkmalschutz auch gerecht zu werden und das Bodendenkmal zu erhalten.“
Mit den Buschkisten soll nun jedenfalls verhindert werden, dass immer mehr von der Landmasse abbröckelt. Zuletzt kam es bereits öfter vor, dass Ziegelsteine des fast 1000 Jahre alten Bauwerks durch Erosion ans Ufer gefallen oder sogar komplett im Wasser verschwunden sind. Diese Ziegelsteine sind dabei das letzte, was von der Jürgensburg noch übrig geblieben ist, wie Grabungsleiter Jan Fischer vom Archäologischen Landesamt erzählt. „Die Burg wurde vermutlich abgebaut und die Steine irgendwo abgelegt. Die Steine, die nun aus der Erde ragen, zeigen also nicht die Struktur der Burg. Aber sie zeigen uns, was hier vor vielen Jahren mal gestanden hat.“
Der Grabungsleiter hält es für besonders wichtig, dass das Ufer der Möweninsel nun vor allem im Sinne des Denkmalschutzes gesichert wird. „Wir nehmen an, dass die Insel über Brücken sogar Haithabu und die frühen Strukturen Schleswigs verbunden haben könnte. Daher ist die Möweninsel mit ihren Siedlungsspuren auch ein Schlüssel zum Verständnis der Rolle Schleswigs im Mittelalter“, erklärt Fischer.
Für die Arbeiten auf dem Eiland wurden in den vergangenen Tagen bereits die notwendigen Gerätschaften mit Booten überführt. Neben einem kleinen Bagger ist für die Arbeitskräfte auch eine kleine Unterkunft auf einem Ponton an die Insel gefahren worden. Da in den kommenden Tagen schwierige Wetterbedingungen erwartet werden, kann mit den Arbeiten erst am kommenden Montag begonnen werden. Dann werden an drei besonders kritischen Stellen rund 120 Pfähle in den Boden gesetzt, um die Insel zu sichern.

Kommentar Schleswiger Nachrichten:
Das Ufer der Möweninsel wird gesichert. Das an sich ist schon einmal eine gute Nachricht! Nur so scheint es möglich zu sein, die noch verbliebenen Strukturen der alten Jürgensburg, die auf der Möweninsel vor rund 1000 Jahren gebaut wurde, auch langfristig zu sichern.
Viele Menschen dürften dieses Vorhaben zum Schutz des Bodendenkmals begrüßen. Allerdings stellt sich die Frage: Was hat der Bürger von diesem aufwändigen Verfahren? Die Möweninsel selbst darf von Passanten nicht betreten werden. Die Strukturen der alten Burg kann man vor Ort also schon mal nicht selbst in Augenschein nehmen.
Jetzt, wo die Überreste des alten Bauwerks auch tatsächlich mit viel Arbeitskraft geschützt werden, muss die Geschichte des Gemäuers aber noch präsenter gemacht werden. Es muss schlicht und ergreifend erlebbarer werden. Denn vielen Schleswigern wird wahrscheinlich gar nicht klar sein, dass auf der Möweninsel überhaupt einmal eine Burg gestanden hat.
Hinweistafeln am Schleiufer mit der Geschichte des Bauwerks wären vielleicht eine erste Möglichkeit, um die Historie der Burg noch bekannter zu machen. Doch auch darüber hinaus sollte man auf Seiten der Stadt oder auch des Landes darüber nachdenken, wie man die spannende Geschichte der Jürgensburg den Menschen näherbringen kann.

Flensborg Avis vom 19.10.2023

Rettung der »Insel der vergessenen Schätze«

Expertenteam will die Möweninsel in ihrer Existenz sichern und muss dabei Denkmal- und Naturschutz in Einklang bringen. Image sollte aufpoliert werden.
Schleswig. Es ist eigentlich nur der berühmte Katzensprung, der die Möweninsel vom Schleswiger Festland trennt. Doch die sichtbare Nähe bedeutet nicht automatisch, dass den Menschen aus der Stadt und dem näheren Umfeld auch bewusst ist, welches »Juwel« dieses Eiland dank seiner geschichtlichen Bedeutung eigentlich verkörpert.
Nun nagen Boden-Erosionen weiter unermüdlich an der Insel-Substanz und bedrohen dabei nicht nur die saisonale Population der Silber- und Heringsmöwen, die in jüngerer Zeit dort ihre Kinderstube eingerichtet haben. Zugleich werden die kostbaren Überreste der steinernen Jürgensburg, die Herzog Knud Lavard im frühen 12. Jahrhundert dort erbauten ließ, durch Boden-Verluste nach Regenereignissen freigespült und in die Schlei getragen.
Insel-Rettung

Ein Expertenteam von Archäologen sowie Natur- und Küstenschützern haben nun gemeinsam die Ärmel aufgekrempelt, um die »Insel der vergessenen Schätze« zu retten. Wie archöologisch wertvoll der Schauplatz unweit der Uferlinie ist, unterstreichen auch Überrreste eines hölzernen Schiffs, die auf das Jahr 1163 datiert wurden und im Jahr 2000 von Fischern am südöstlichen Strand der Insel gefunden wurden.
»Die Möweninsel ist eine archäologische Spielwiese«, berichtet Jan Fischer, der sich als Mitarbeiter des archäologischen Landesamtes um den Erhalt der sichtbaren Zeichen der langen Insel-Geschichte sorgt.

Tragende Rolle
Und die, so die einhellige Meinung im mehrköpfigen Experteam, ist dem heutigen Zeitgeist ziemlich abhanden gekommmen.
Dabei spielte die Möweninsel schon im frühen Mittelalter eine im wahrsten Sinne des Wortes tragende Rolle. Sie stellte zu Hochzeit der Wikinger einen wichtigen Verbindungsknotenpunkt in der verkehrlichen Infrastruktur zwischen dem damaligen bedeutsamen Handelsplatz Haithabu und der Stadt Schleswig dar, die um das 12. Jahrhundert herum noch in den Kinderschuhen steckte.
H
aithabu-Nachfolge
Stabile Holzbrücken sorgten für eine »trockene« Verbindung zwischen der Schleswiger Innenstadt, der Insel und dem Handelsplatz Haithabu. Dazu Fischer: »Hier liegt ein sichtbarer Schlüssel dafür, dass Schleswig als Nachfolger Haithabus gezählt werden muss. Und die Achse des heutigen Weltkulturerbes führt über die Möweninsel direkt in die Stadt.«
Diese geschichtliche tiefgreifende Bedeutung, so Fischer, müsste dringend aufpoliert und den Menschen vermittelt werden. Am besten gleich alles in Kombination mit der Vermittlung der einzigartigen Geschichte der Stadt Schleswig, dessen eigene Epoche sich nahtlos an das recht kurze Wikinger-Zeitalter anschließt.

Insel sichern
»Wir sind froh, dass nun die Sicherungs-Maßnahmen der Insel beginnen«, zeigte sich Fischer, übrigens ein waschechter Schleswiger, von entsprechenden Aktionen begeistert, die sich zunächst auf die Uferlinie beziehen. Sogenannte Buschkästen, die auch an der schleswig-holsteinische Nordseeküste zum Einsatz kommen, sollen den anlandenden Wellen der Schlei die Energie nehmen. Die, so erläutert Fischer, würden sich ja ansonsten ungebremst tief ins Inselreich und damit ins Boden-Denkmal fressen.
In einem nächsten Schritt gilt es jenen Oberflächen-Erosionen, die durch Regenschauer ausgelöst werden, Einhalt zu gebieten.
Parallel zu den Bemühungen der Experten vor Ort signalsierten die Ratsmitglieder Sina Clorius (Die Grünen) und Rainer Haulsen (CDU) Bereitschaft, die Rettung der Möweninsel zum Anlass zu nehmen, um über die Kanäle der Politik die Öffentlichkeit umfassender aufzuklären.
Schließlich soll das Erbe der kleinen Schatzinsel noch lange verstanden und erhalten bleiben.